Saturday, 3 February 2018

Kenias Präsident: Die sonderbare Härte des Uhuru Kenyatta



Zehn Minuten, heißt es, soll das Treffen der mächtigsten Fernsehbosse Kenias mit Präsident Uhuru Kenyatta gedauert haben. Der Staatschef traf die Chefs von Royal Media Group, Standard Group und Nation Media Group am vergangenen Freitag in seinem Amtssitz in Nairobi - aus einem Grund: Er sagte ihnen knapp, was sie zu tun und vor allem was sie zu lassen haben.

"Abgekanzelt" habe sie der Präsident, protestierte der kenianische Journalistenverband. Andere Kommentare klangen ähnlich. Nur ein Vertreter des staatlichen Senders KBC nahm es anders wahr - und sprach von einem "fruchtbaren Gespräch".
Das aber bestand offenbar fast nur aus dieser Ansage Kenyattas: Berichtet am kommenden Dienstag nicht über die Oppositionsversammlung im Uhruru Park, sonst sind eure Sendelizenzen in Gefahr.
Und tatsächlich machte der Präsident ernst: Vom frühen Dienstagmorgen an blieb das Bild der drei wichtigen Privatsender schwarz. Nur in den deren Online-Livestreams konnte man die Kundgebung teilweise noch verfolgen. Für den Journalistenverband KEG war das ein "klarer Verfassungsbruch" und "ein Eingriff in die Medienfreiheit ohne Beispiel in Kenias jüngerer Geschichte".
Kleiner Anlass, große Attacke
Das allein ist Anlass zu Sorge. Kenia hat seit 2010 eine der fortschrittlichsten Verfassungen Afrikas. Gewaltenteilung, Dezentralisierung, Menschenrechte und Pressefreiheit sind Eckpfeiler. Eine vorbildliche Demokratie ist Kenia zwar trotzdem nicht, Korruption bleibt ein Problem im Land. Aber Fernsehen und Zeitungen konnten bislang frei berichten, auch über politische und wirtschaftliche Skandale.
Dramatisch ist die Attacke auf die Pressefreiheit jedoch besonders deshalb, weil der Anlass vergleichsweise harmlos war: Am Dienstag setzte Oppositionsführer Raila Odinga einen schon im Dezember gefassten Plan um. Vor vielen Tausend Anhängern ließ er sich in Nairobis größtem Park als "Präsident des Volkes" vereidigen.
     Scharf in die Luft geschossen: Mehr und mehr Polizei mit Sturmgewehren war...
  Auch Tränengas setzt die Polizei täglich ein. Jeder Protest, und sei er noch... 
  General Service Unit heißt der Teil der Polizei, der in Kenia Proteste...
  Wenig später zog am 16. Oktober Tränengas durch die Innenstadt.   
  Am 19. Oktober protestierte Boniface Mwangi, Demokratie- und... 
  Der Protest fand vor dem Hauptquartier der Polizei von Nairobi statt. Mit dem... 

  Dann eskalierte die Lage: Mwangi hielt eine große Gewehrpatrone hoch und...

  ...riss die Waffe hoch. Kurz darauf krachte ein Schuss, eine... 
  Viele Demonstranten bauten Barrikaden und warfen Steine. Dennoch kritisieren... 
  Viele Menschen gerieten in der Innenstadt zwischen die Fronten von...
  Mwangi ging zunächst zu Boden; dass das Geschoss nur seine Brust verletzte,... 

11  Bilder
Kenia: Tausende strömen zu "Volkspräsident" Odinga 
Ein rein symbolischer Akt, bei dem noch dazu die wichtigsten Odinga-Mitstreiter überraschend fehlten. Was eine Machtdemonstration werden sollte, wirkte eher wie der Anfang vom Ende der geeinten Opposition.
Odinga hält sich seit einem halben Jahr für den eigentlichen Sieger der Präsidentschaftswahl, die er im August klar gegen Kenyatta verloren hatte. Er und sein Bündnis Nasa sagen, sie seien betrogen worden. Ohne Beweise vorzulegen, fochten sie die Wahl an - mit überraschendem Erfolg.
Mehr als 100 Tote durch Polizeigewalt

Seit der Annullierung der Wahl geht es mit Kenia politisch steil bergab. Angestachelt durch Odingas Betrugsvorwürfe tobten seine Anhänger in ihren Hochburgen, die in Nairobi meist in den Elendsvierteln liegen.

Auf den anhaltenden Protest reagierte Kenyattas Sicherheitsapparat brutal. Beinahe täglich wehte Tränengas durch die Straßen der ostafrikanischen Metropole. In den drei Monaten nach der Wahl starben mehr als 100 Menschen durch Polizeikugeln, das jüngste Opfer war ein neunjähriges Mädchen.

Und Kenyatta griff die eigentlich unabhängige Justiz an. Die höchsten Richter des Landes, die seinen Wahlerfolg wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten kassiert hatten, nannte er "Schurken", denen er "die Flügel stützen" werde.
Die Attacke wirkte. Als es kurz vor dem Neuwahltermin im Oktober zu einer Beschwerde wegen einer Kandidatenliste kam, trat das vormals so mutige Verfassungsgericht nicht mehr zusammen. Eine Richterin hatte aus Angst um ihr Leben das Land verlassen, einer ihrer Richterkollegen kam einfach nicht, die Kammer war nicht beschlussfähig.
Härte ohne Not
In Sonntagsreden, deren Adressat auch immer das Ausland ist und die er auf Englisch hält, appelliert Kenyatta immer wieder an Friedfertigkeit und Einheit der Kenianer. Alle Brüder und alle Schwestern sollten sich die Hände reichen und für den Frieden zusammenstehen. Gegen exzessive Polizeigewalt, das Töten von Zivilisten durch die Polizei, sprach sich Kenyatta jedoch nie aus.
Tränengasattacke auf einen Bus mit Odinga-Anhängern
Die Justiz, die Opposition und jetzt die Medien: Kenyatta schlägt um sich, als Stünde er mit dem Rücken zur Wand. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Er ist der gewählte Präsident für die kommenden vier Jahre. Im Parlament hat sein Jubilee-Bündnis eine üppige Mehrheit.
Er könnte aus einer Position der Stärke heraus für Ruhe sorgen. Stattdessen zerschlägt er ohne Not, was sich die Kenianer nach den Unruhen von 2007 und 2008 mit mehr als 1000 Toten nach einer irregulären Präsidentschaftswahl aufgebaut hatten.
Im besten Fall agiert Kenyatta sorglos und wähnt sich allmächtig. Das ist fatal für Kenia, aber der Spuk wäre nach dieser zweiten Amtszeit vorbei. Oder aber die Schwächung von Justiz und Medien folgt einem Plan. Dann könnte sie das Abgleiten des Landes in eine Diktatur bedeuten.

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