Tuesday, 3 March 2015

Kultur Kongokonferenz: Guten Appetit, heute wird Afrika aufgeteilt!


Vor 130 Jahren teilte Bismarck bei der Berliner Kongokonferenz den afrikanischen Kontinent unter den Kolonialmächten auf – hier auf einer französischen Karikatur 
 
Vor 130 Jahren teilte Bismarck bei der Berliner Kongokonferenz den afrikanischen Kontinent unter den Kolonialmächten auf – hier auf einer französischen Karikatur Foto: picture alliance / akg images
 
Mit Schildkrötensuppe, Haselhuhn und Hummergratin wollte eine Künstlergruppe die Kongokonferenz von 1885 wiederholen – in einem Berliner Museum. Das ging schief. Über eine postkoloniale Posse.
An einem Berliner Winterabend stand Georg Schmidt, der Afrika-Beauftragte des Auswärtigen Amtes, vor den verschlossenen Türen des Ethnologischen Museums in Dahlem. Er war der Einladung zu einem "festlichen Diner" gefolgt, zubereitet vom Küchenchef des Auswärtigen Amtes. Als Entrée sollte es Austern geben, dann Schildkrötensuppe. Nach einem Soufflé vom Haselhuhn und Lachs auf englische Art war Hummergratin geplant, dann gebratenes Masthühnchen, gefolgt von Spanischem Speck, Aprikosenkuchen, Haselnuss-Mousse und einem Dessert.
Dieses Menü war in Berlin schon einmal serviert worden: beim Festdiner, zu dem Reichskanzler Otto von Bismarck während der Kongokonferenz lud, wo die kolonialen Ansprüche auf den afrikanischen Kontinent abgesteckt wurden, am 19. Januar 1885. Dieses Datum stand auch auf der Einladung, die Georg Schmidt erhalten hatte. Und neben ihm Flüchtlingsaktivisten, Völkerrechtler, Vertreter von Hilfsorganisationen, afrikanische Unternehmerinnen, Museumsdirektoren, Unterstützer wie Kritiker des Berliner Humboldt-Forums.
Auch ein Nachfahre der berühmten Woermann-Linie war eingeladen, deren Schiffe ab 1890 aus Deutsch-Südwestafrika Rohstoffe nach Europa brachten, Darsteller für Hagenbecks Völkerschauen und sicher auch einige der ethnologischen Objekte, die bald von Dahlem ins Stadtschloss wandern sollen. Menschen, deren Biografie oder Tätigkeit von Entscheidungen der Kongokonferenz beeinflusst ist, sollten symbolisch an den Tisch zurückkehren, an dem diese beim Essen rituell besiegelt wurden.

Ärger um die Tischordnung

Als Georg Schmidt aus dem Taxi stieg, empfing ihn jedoch niemand, das Gebäude war dunkel. Der Diplomat hatte sich nicht im Jahrhundert vertan. Das Ethnologische Museum hatte kalte Füße bekommen und die Veranstaltung kurzfristig verschoben. Nur Schmidt, geschickt von Minister Steinmeier persönlich, hatte man auszuladen vergessen.
Das Essen war Teil der Veranstaltungsreihe Humboldt-Lab – jener Charmeoffensive, mit der die Staatlichen Museen Berlin unter Einsatz von Gegenwartskunst Fantasie und Sympathie für das Humboldt-Forum wecken wollen. Konzipiert wurde es von der Künstlergruppe Politique Culinaire, die vorher nie unter diesem Namen in Erscheinung getreten war. Zunächst stand Direktorin Viola König mit Vorschlägen zur Seite: Wolle man nicht auch den Vorsitzenden des Freundeskreises einladen? Das taten die Künstler gerne. Olof von Lindequist ist schließlich Nachfahre des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika und bloggt über seine Afrikareisen. Er sagte zu. Doch je länger die Gästeliste wurde, je prominenter die Teilnehmer und je vielfältiger ihre Zusammensetzung, desto mehr ging das Museum auf Abstand. Schließlich wollte niemand aus der Leitung am Tisch sitzen.

Ein Virus im Museum

Der Konflikt verengte sich auf Formulierungen. Das Museum kritisierte koloniale Beiklänge im Einladungstext. Die Künstler erklärten, der Jargon sei einer Image-Broschüre des Humboldt-Forums entlehnt. Dürfe man den Briefkopf der Staatlichen Museen verwenden? Das Museum verneinte. Und geriet durch die Absage doch in die Gastgeberrolle. So wurde zunehmend das Museum zum Thema. Dient Gegenwartskunst oft als harmlose Kulisse, drehte sie hier den Spieß um: Das Essen fände in der Kulisse des Ethnologischen Museums statt, heißt es in der Einladung.
"Geschichte wird in der Gegenwart lebendig": Der Leitspruch des Humboldt-Forums wurde zur Drohung. Es war, als hätte sich das Museum einen Virus eingefangen: Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, erklärte sich offen gegenüber dem Projekt, aber doch bitte nicht in Form eines feudalen Zwölf-Gänge-Menüs, finanziert aus öffentlichen Geldern.
So brachte das Essen, ohne stattzufinden, alle Beteiligten auf die Plätze: Jeder musste Position beziehen. Die Mehrzahl der Eingeladenen war interessiert, Absagen erfolgten meist aus Termingründen. Zuletzt sollte das Dinner im Mai stattfinden. Das Museum kann kein Datum nennen. Damit bleibt die Einladung weiter offen.

No comments:

Post a Comment