Vor 130 Jahren teilte Bismarck bei der Berliner
Kongokonferenz den afrikanischen Kontinent unter den Kolonialmächten auf
– hier auf einer französischen Karikatur
Foto: picture alliance / akg images
Mit Schildkrötensuppe, Haselhuhn und Hummergratin wollte eine
Künstlergruppe die Kongokonferenz von 1885 wiederholen – in einem
Berliner Museum. Das ging schief. Über eine postkoloniale Posse.
An einem Berliner
Winterabend stand Georg Schmidt, der Afrika-Beauftragte des Auswärtigen
Amtes, vor den verschlossenen Türen des Ethnologischen Museums
in Dahlem. Er war der Einladung zu einem "festlichen Diner" gefolgt,
zubereitet vom Küchenchef des Auswärtigen Amtes. Als Entrée sollte es
Austern geben, dann Schildkrötensuppe. Nach einem Soufflé vom Haselhuhn
und Lachs auf englische Art war Hummergratin geplant, dann gebratenes
Masthühnchen, gefolgt von Spanischem Speck, Aprikosenkuchen,
Haselnuss-Mousse und einem Dessert.
Dieses Menü war in Berlin schon einmal serviert worden: beim Festdiner, zu dem Reichskanzler Otto von Bismarck während der Kongokonferenz
lud, wo die kolonialen Ansprüche auf den afrikanischen Kontinent
abgesteckt wurden, am 19. Januar 1885. Dieses Datum stand auch auf der
Einladung, die Georg Schmidt erhalten hatte. Und neben ihm
Flüchtlingsaktivisten, Völkerrechtler, Vertreter von
Hilfsorganisationen, afrikanische Unternehmerinnen, Museumsdirektoren,
Unterstützer wie Kritiker des Berliner Humboldt-Forums.
Auch
ein Nachfahre der berühmten Woermann-Linie war eingeladen, deren
Schiffe ab 1890 aus Deutsch-Südwestafrika Rohstoffe nach Europa
brachten, Darsteller für Hagenbecks Völkerschauen und sicher auch einige
der ethnologischen Objekte, die bald von Dahlem ins Stadtschloss
wandern sollen. Menschen, deren Biografie oder Tätigkeit von
Entscheidungen der Kongokonferenz beeinflusst ist, sollten symbolisch an
den Tisch zurückkehren, an dem diese beim Essen rituell besiegelt
wurden.
Ärger um die Tischordnung
Als
Georg Schmidt aus dem Taxi stieg, empfing ihn jedoch niemand, das
Gebäude war dunkel. Der Diplomat hatte sich nicht im Jahrhundert vertan.
Das Ethnologische Museum hatte kalte Füße bekommen und die
Veranstaltung kurzfristig verschoben. Nur Schmidt, geschickt von
Minister Steinmeier persönlich, hatte man auszuladen vergessen.
Das Essen war Teil der Veranstaltungsreihe Humboldt-Lab
– jener Charmeoffensive, mit der die Staatlichen Museen Berlin unter
Einsatz von Gegenwartskunst Fantasie und Sympathie für das
Humboldt-Forum wecken wollen. Konzipiert wurde es von der Künstlergruppe
Politique Culinaire, die vorher nie unter diesem Namen in Erscheinung
getreten war. Zunächst stand Direktorin Viola König mit Vorschlägen zur
Seite: Wolle man nicht auch den Vorsitzenden des Freundeskreises
einladen? Das taten die Künstler gerne. Olof von Lindequist ist
schließlich Nachfahre des Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika und
bloggt über seine Afrikareisen. Er sagte zu. Doch je länger die
Gästeliste wurde, je prominenter die Teilnehmer und je vielfältiger ihre
Zusammensetzung, desto mehr ging das Museum auf Abstand. Schließlich
wollte niemand aus der Leitung am Tisch sitzen.
Ein Virus im Museum
Der
Konflikt verengte sich auf Formulierungen. Das Museum kritisierte
koloniale Beiklänge im Einladungstext. Die Künstler erklärten, der
Jargon sei einer Image-Broschüre des Humboldt-Forums entlehnt. Dürfe man
den Briefkopf der Staatlichen Museen verwenden? Das Museum verneinte.
Und geriet durch die Absage doch in die Gastgeberrolle. So wurde
zunehmend das Museum zum Thema. Dient Gegenwartskunst oft als harmlose
Kulisse, drehte sie hier den Spieß um: Das Essen fände in der Kulisse
des Ethnologischen Museums statt, heißt es in der Einladung.
"Geschichte
wird in der Gegenwart lebendig": Der Leitspruch des Humboldt-Forums
wurde zur Drohung. Es war, als hätte sich das Museum einen Virus
eingefangen: Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
Hermann Parzinger, erklärte sich offen gegenüber dem Projekt, aber doch
bitte nicht in Form eines feudalen Zwölf-Gänge-Menüs, finanziert aus
öffentlichen Geldern.
So
brachte das Essen, ohne stattzufinden, alle Beteiligten auf die Plätze:
Jeder musste Position beziehen. Die Mehrzahl der Eingeladenen war
interessiert, Absagen erfolgten meist aus Termingründen. Zuletzt sollte
das Dinner im Mai stattfinden. Das Museum kann kein Datum nennen. Damit
bleibt die Einladung weiter offen.
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