Fast 30 Prozent der weltweiten Textilproduktion entfallen auf technische
Gewebe: Innovations- und marktführend sind deutsche Firmen. Deiche aus
Stoff etwa sollen schnelleren Hochwasserschutz bieten. Von Carsten Dierig
Hochwasser interessiert sich
nicht für Geschichte. Über 200 Jahre zählt das Dessau-Wörlitzer
Gartenreich im östlichen Sachsen-Anhalt. Auf 142 Quadratkilometern
beherbergt der zum Weltkulturerbe zählende Landschaftspark etliche
Schlösser, Gärten und Kirchen. Und alle waren sie kürzlich von den
massiven Hochwasserfluten der Elbe bedroht.
Um die
historische Kulturlandschaft zu schützen, war eine Vielzahl von Helfern
im Einsatz – und ein Quartett des münsterländischen Textilherstellers
Ceno Membrane Technology. Binnen einer Stunde schafften die vier
Spezialisten mit ein paar Handgriffen das, wofür ein paar Meter weiter
Hunderte von Freiwilligen mehrere Tage geschuftet haben: einen
Schutzwall.
Mobildeich nennt
sich das System von Ceno. Das Prinzip dahinter ist einfach: Riesige
Schläuche aus beschichtetem Polyestergarn werden um das zu schützende
Gebäude gelegt und mit Hilfe einer Pumpe mit dem ankommenden Hochwasser
gefüllt. Ein Netz und eine Dichtungsplane umhüllen und verbinden die
einzelnen Schläuche bis zu einer Höhe von maximal 2,60 Metern.
Durch den
Wasserdruck spannt sich das Netz, das hält den Stoff-Deich auch ohne
Fundament stabil. 100 Meter dieses Schutzwalls lassen sich binnen einer
Stunde aufstellen, verspricht der Anbieter. "Bei einer Höhe von 75
Zentimetern ist das 92 mal schneller als der Verbau von Sandsäcken",
wirbt Wolfgang Rudolf-Witrin, der Geschäftsführer von Ceno Membrane
Technology.
Daimler und Airbus zeigen Interesse
Derlei Werbung
scheint nötig. Denn bislang hat die Textilfirma gerade mal zehn
Kilometer Mobildeich verkauft. Allerdings ist das System auch erst seit
knapp zwei Jahren auf dem Markt. Und in dieser Zeit gab es hierzulande
keine gravierenden Überschwemmungen.
Die jüngste Flut dürfte
die Kundendatei kräftig erweitern. Rudolf-Witrin jedenfalls berichtet
von "locker 100 Anfragen" aus den Hochwassergebieten. Die zuständigen
Mitarbeiter seien schon heiser. Mögliche Kunden sind vor allem Kommunen,
aber auch das Technische Hilfswerk (THW) und Industrieunternehmen, die
ihre Produktion schützen wollen.
Daimler und
Airbus zum Beispiel zeigen reges Interesse, berichtet Rudolf-Witrin. Der
Ceno-Chef ist zuversichtlich, dass sich der Mobildeich in zwei bis drei
Jahren voll etabliert hat und dann zu den Rennern im Sortiment des
Mittelständlers gehört.
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