Für zwei Wochen im Jahr
verlegt der Neu-Ulmer Allgemeinarzt Dr. Johannes Höß seine Praxis in ein
Dorf in Kenia und behandelt dort. Das Schicksal der Menschen lässt ihn
auch den Rest des Jahres nicht los.
"Mir geht es total gut." Dieses Gefühl hatte Dr. Johannes Höß bereits als Teenager gehabt - einhergehend mit der Erkenntnis, etwas von dem Glück zurückgeben zu wollen. Denn dass es ihm an nichts fehlt, sei im Grunde Zufall, sagt er. Genauso gut hätte er beispielsweise in einem kleinen afrikanischen Dorf ohne Strom, Wasser, geschweige denn medizinischer Versorgung aufwachsen können.
Dass sich der 47-jährige Allgemeinarzt heute in genau einem solchen Dorf engagiert, ist ebenfalls dem Zufall zu verdanken, genauer gesagt seinem Schwager Tobias Lutz, der selbst Zahnarzt ist. "Er hat mich praktisch gezwungen mitzumachen", sagt Höß und grinst. "Man schiebt solche Dinge ja gerne für die Rentenzeit auf - und macht sie nie."
Gleich der erste Einsatz, der von der Organisation "Prisoner Fellowship International" geleitet wurde, führte Höß in die Todeszellen eines ugandischen Gefängnisses. Als "unvorstellbar" beschreibt er die Zustände dort. Gefolterte Menschen, Menschen mit Knochenbrüchen lagen in völlig verdreckten Zellen.
Höß hat seine Ausbildung zum Arzt bei der Bundeswehr gemacht und auch Einsätze im Kosovo gehabt. Man könnte also auf den Gedanken kommen, dass er auf solche Situationen einigermaßen vorbereitet war. Der Arzt winkt ab. "Das ist etwas total anderes", meint er. "Ich war total nervös, ich wäre am liebsten gleich wieder ins Flugzeug zurück gestiegen." Die Aufregung legte sich aber, sobald er mit der Arbeit begonnen hatte. "Die Menschen waren so dankbar für jede Untersuchung, das habe ich sonst nie erlebt."
Eine Erfahrung, die mit dazu beigetragen hat, dabei zu bleiben. Höß engagiert sich mittlerweile seit sechs Jahren, zunächst über die Hilfsorganisation humedica, inzwischen vor allem über den Verein Ubuntu, der in dem kenianischen Dorf Kasuna aktiv ist, aus dem die Frau seines Schwagers kommt. Höß betont: "Man kann nur so viel helfen, wie man kann." Und lieber man hilft in einem Dorf nachhaltig, als zu versuchen, überall etwas zu machen. In Kasuna ist jedenfalls genug zu tun. Zum einen soll den Kindern der Besuch von Schule und Kindergarten ermöglicht werden- eine sättigende Mahlzeit inklusive. Das gibt Anreiz, die Kinder zur Schule zu schicken, was wiederum die Mädchen davor bewahrt, zu früh verheiratet zu werden - ab zwölf Jahren ist das sonst möglich, berichtet Höß. Da 75 Prozent der Bevölkerung mit HIV infiziert sind, kommt das zudem oft einem Todesurteil nahe.
Die Kranken zu behandeln ist die zweite große Aufgabe. Für zwei Wochen im Jahr schließt Höß seine Praxis in Neu-Ulm und reist mit Kollegen nach Kasuna. Länger geht momentan nicht, denn mit seiner Praxis finanziert er den Einsatz in Kenia. "Und Urlaub mit meiner Frau und Kindern muss noch drin sein, allein aus Selbstschutz", sagt Höß.
In zwei Wochen könne er aber schon eine Menge bewirken. Für besonders dramatische Fälle sammelt er ohnehin in Deutschland Spenden. Etwa für die vierjährige Christine, die mit einem künstlichen Darmausgang lebt, weil das Geld für die Rück-OP bislang fehlte. Da sich die Familie auch keine Auffangbeutel leisten kann, kann Christine nicht in die Schule, ihre Heiratschancen liegen bei Null - was sie für die Familie wertlos macht, so Höß.
In seiner Praxis hatte er einen Aushang mit Christines Schicksal. "Meine Patienten sind toll", sagt Höß. Die für die OP nötigen 1000 Euro sind beisammen, jetzt muss nur noch der Chirurg gefunden werden. Aktuell sammelt Höß unter anderem Geld für die 16-jährige Milicent, die an Tuberkulose erkrankt ist und in Lebensgefahr schwebt. Da sie selbst nach Kenia fliegen, ist garantiert, dass das Geld ohne Abzüge ankommt, versichert Höß.
Wichtig ist ihm, dass die Menschen lernen, selbst klar zu kommen. Er erzählt von der Mutter, die ihren Sohn mit einer vereiterten und verdreckten Wunde, in der sich Maden breit gemacht hatten, zu ihm brachte. Er hat ihr gezeigt, wie man eine Wunde sauber hält und außerdem das nötige Verbandszeug mitgegeben.
Höß hofft auf den Vorbildcharakter solcher Maßnahmen. Denn oft seien die Menschen geradezu apathisch, was ihre eigenen Lebensumstände angeht, beschreibt Höß. Das sei nicht nur auf einen Mangel an Bildung zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Kolonialherren die Bevölkerung unmündig gemacht haben, vermutet er. Umso wichtiger ist es, die Einheimischen in die Hilfsprojekte einzubeziehen. "Ubuntu" kann drei Menschen voll bezahlen, weitere helfen ehrenamtlich und bekommen dafür Schulbildung für ihre Kinder ermöglicht.
Zurück in Neu-Ulm kommt es Höß zuweilen seltsam vor, mit welchen Zipperlein seine Patienten kommen. Etwas gelassener sein, das könnten die Deutschen von den Kenianern lernen. Höß: "Bei mir wirkt das immer einige Wochen nach, da rege ich mich dann nicht über alles mögliche auf."
Info Dr. Johannes Höß berichtet am Mittwoch, 29. Januar, ab 19.30 Uhr im Caritas-Pflegeheim, Am Escheugraben 20, in Neu-Ulm über seine Erfahrungen in Kenia. Außerdem am 19. Februar im AWO-Pflegeheim in Neu-Ulm, Eckstr. 1, ab 19 Uhr. Mehr auch unter www.ubuntu-hilfe.org
No comments:
Post a Comment