Nach ihrer Entführung durch den IS schrieb Geisel Kayla Jean Mueller ihrer Familie 2014 einen Brief. Ihre Worte zeigen eine tapfere Entwicklungshelferin. Nun ist sie tot.
Die Eltern von Kayla Jean Mueller haben am Dienstag bestätigt, dass ihre von der Terrormiliz Islamischer Staat entführte Tochter getötet worden ist. Sie veröffentlichten zeitgleich einen Brief, den ihnen die 26-Jährige vergangenes Jahr geschrieben hat. Mit diesen Worten – einiges wurden von den Angehörigen unkenntlich gemacht – richtete sich Mueller an ihre Familie:
«Ihr alle, wenn ihr diesen Brief bekommt, bedeutet das, dass ich weiterhin gefangen gehalten werde, aber meine Mithäftlinge (ab dem 11.02.2014) freigelassen worden sind. Ich habe sie gefragt, ob sie euch kontaktieren und euch diesen Brief schicken können. Es ist schwer zu wissen, was ich sagen soll. Bitte wisst, dass ich an einem sicheren Ort bin, komplett unverletzt und gesund (habe tatsächlich an Gewicht zugelegt); ich bin mit höchstem Respekt und Freundlichkeit behandelt worden. Ich wollte euch allen einen wohl überlegten Brief schreiben (aber ich weiss nicht, ob mich meine Mithäftlinge in den kommenden Tagen oder Monaten verlassen werden, das begrenzt meine Zeit im Wesentlichen). Ich kann den Brief nur Absatz für Absatz schreiben, nur der Gedanke an euch alle versetzt mich in einen Anfall von Tränen.
«Ich verdiene keine Vergebung»
Wenn man sagen kann, dass ich überhaupt ‹gelitten› habe durch diese ganze Erfahrung, dann ist es nur, weil ich weiss, durch wie viel Leid ihr deshalb gehen müsst; ich werde euch niemals bitten, mir zu verzeihen, weil ich keine Vergebung verdiene. Ich erinnere mich daran, dass Mama immer gesagt hat, dass Gott der einzige ist, den man alles in allem am Ende wirklich hat. Ich bin zu einem Platz der Erfahrung gekommen, wo ich, im wahrsten Sinne des Wortes, mich selbst unserem Schöpfer ausgeliefert habe, weil es buchstäblich nichts anderes gab.
Durch Gott, durch eure Gebete habe ich mich mitfühlend gewogen im freien Fall gefühlt. Ich habe mich in Dunkelheit und in Licht gezeigt, ich habe gelernt, dass man selbst im Gefängnis frei sein kann. Ich bin dankbar. Ich bin so weit gekommen, dass ich in jeder Situation etwas Gutes sehe, manchmal müssen wir nur danach Ausschau halten. Ich bete jeden Tag, als ob es nichts anderes gibt, damit ihr eine bestimmte Nähe, Ergebung zu Gott gefühlt, ein Bund der Liebe geformt, euch untereinander unterstützt habt.
Ich vermisse euch alle, als ob die erzwungene Trennung schon seit einem Jahrzehnt besteht. Ich habe einige lange Stunden zum Nachdenken gehabt, zum Nachdenken über all die Dinge, die ich tun will mit Lex, unsere erste Familien-Campingtour, das erste Treffen am Flughafen. Ich habe viele Stunden zum Nachdenken gehabt, wie ich als 25-Jährige* letztendlich nur in eurer Abwesenheit euren Platz in meinem Leben erkennen konnte.
«Ich werde nicht aufgeben»
Das Geschenk, das jeder von euch für mich ist, könnte nicht sein, wenn ihr nicht ein Teil meines Lebens wärt, meine Familie, meine Stütze. Ich will NICHT, dass die Verhandlungen über meine Freilassung eure Aufgabe ist, wenn es irgendeine andere Möglichkeit gibt, nutzt sie, auch wenn das mehr Zeit in Anspruch nimmt. Dies sollte niemals zu eurer Bürde werden. Ich habe diese Frauen gefragt, ob sie euch unterstützen; bitte sucht ihren Rat. Wenn ihr das bislang nicht getan habt, (STELLE UNKENNTLICH GEMACHT) kann (UNKENNTLICH GEMACHT) kontaktieren, der/die ein gewisses Mass an Erfahrung mit diesen Leuten hat.
Niemand von uns konnte wissen, dass es so lange dauern wird, aber glaubt mir, dass ich auch von meiner Seite aus und in der Weise, in der es mir möglich ist, kämpfe. Ich habe noch eine Menge Kampfbereitschaft in mir. Ich breche nicht zusammen, ich werde nicht aufgeben, wie lange es auch dauern wird. Ich habe vor Monaten ein Lied geschrieben, in dem es heisst: «Der Teil von mir, der am meisten schmerzt, bringt mich auch aus dem Bett, ohne eure Hoffnung wäre nichts mehr übrig.» Der Gedanke an euren Schmerz ist die Quelle meines eigenen, gleichzeitig ist die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit euch die Quelle meiner Stärke. Bitte seid geduldig, gebt euren Schmerz an Gott. Ich weiss, dass ihr wollen würdet, dass ich stark bleibe. Das ist genau das, was ich tue. Habt keine Angst um mich, betet weiterhin, wie ich es auch tun werde. So Gott will, werden wir bald wieder zusammen sein.

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