Saturday 8 December 2018

Entwicklungsethnologie

Eigenes

"Eine Kultur bzw. Lebenswelt wird dann als ›eigene‹ und ›nichtfremde‹ bezeichnet, wenn die Kontextbedingungen ein alltagsbezogenes Routinehandeln ermöglichen, das für den Handelnden durch Plausibilität bzw. Normalität und Sinnhaftigkeit charakterisiert ist" (Wille 2003Internetquelle). Das Eigene entsteht und existiert immer nur im bzw. als Vergleich und Kontrast zum Fremden (Rösch 2004). Nur im Verhältnis zwischen Autostereotyp (Selbstbild) und Heterostereotyp (Fremdbild) wird es deshalb erschließbar.

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Eisbergmodell

Das in der Kulturwissenschaft gerne verwendete Modell verdeutlicht, dass immer nur ein kleiner Teil kultureller Spezifik sichtbar oder wahrnehmbar ist. Das Wahrnehmbare selbst (perceptas) ist wiederum "Zeichen" für zugrunde liegende (aber als solche nicht sichtbare) Denk- und Handlungskonzepte (conceptas).

Das Eisbergmodell; Quelle: IKO 2004Internetquelle
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Emisch vs. Etisch

Emisch ist die Innensicht bzw. Binnenperspektive von Mitgliedern einer Kultur, während "etisch" die distanzierte Außensicht bezeichnet. Emisches Forschungsvorgehen versucht, universelle und eigenkulturelle Kriterien bzw. Erfassungskategorien auszublenden, um die fremde Kultur ›von innen‹ her zu verstehen und zu beschreiben. Dieser Anspruch besteht insbesondere bei der teilnehmenden stationären ethnologischen Feldforschung. Der etische Forschungsansatz sucht universell gültige Kategorien. Er eignet sich insbesondere für kulturvergleichende Studien. Cross-Cultural Studies

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Empathie

"Als Empathie (griech. = Mitfühlen) bezeichnet man die Fähigkeit und vor allem die Bereitschaft eines Menschen, sich in andere hineinzuversetzen und sich über ihr Handeln, Verstehen und Fühlen klar zu werden. Wesentlich dabei ist, dass der eigene Affektzustand dem Gefühlszustand einer anderen Person entspricht. Dies wird dadurch ausgelöst, dass man die Perspektive der anderen Person einnimmt und ihre Gefühle versteht. Beispielsweise in Anti-Aggressions-Therapien wird die Fähigkeit von (potenziellen) Gewalttätern gefördert, sich empathisch in ihre Opfer hineinzuversetzen" (Wikipedia 2004: Empathie; Internetquelle).
Empathie bezeichnet das Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Befindlichkeiten und Denkweisen anderer, ohne dass damit zwangsläufig eine (vollständige) Akzeptanz der Positionen der anderen einhergeht. Im engeren Sinne ist Empathie das unfreiwillige Empfinden der Emotionen eines anderen.

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Empowerment

Wörtlich aus dem Englischen übersetzt heißt Empowerment Bevollmächtigung oder Ermächtigung. Im wirtschaftlichen Bereich meint der Begriff die Übertragung von Verantwortung auf Untergebene. "Mit Empowerment bezeichnet man Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben der Menschen zu erhöhen und sie in die Lage zu versetzen, ihre Belange (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortet und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten. Empowerment bezeichnet dabei sowohl den Prozess der Selbstbemächtigung als auch die professionelle Unterstützung der Menschen, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen. Im Deutschen wird Empowerment gelegentlich auch als Selbstkompetenz bezeichnet" (Wikipedia 2004: Empowerment; Internetquelle).
Der GTZ zufolge wird in der Entwicklungszusammenarbeit unter Empowerment ein fortdauernder Prozess verstanden, der bei benachteiligten Bevölkerungsgruppen das Selbstvertrauen stärkt, sie zur Artikulation ihrer Interessen und zur Beteiligung in der Gemeinschaft befähigt und ihnen den Zugang zu und die Kontrolle von Ressourcen verschafft, damit sie ihr Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten und sich am politischen Prozess beteiligen können. Insofern nimmt die Veränderung von sozialen, ökonomischen, rechtlichen und politischen Institutionen, welche die gegenwärtigen Machtverhältnisse verkörpern, eine zentrale Stellung ein. So zielt z. B. der Empowerment-Ansatz in der Frauenförderung auf Selbstbestimmung, Erweiterung der Selbstorganisation und eine aktivere Rolle von Frauen in allen gesellschaftlichen Prozessen ab (vgl.: GTZ 2004bInternetquelle).
Die DEZA betont die politische Dimension des Engagements für die Benachteiligten und ihr Empowerment. Dadurch werden Entwicklungsmodelle, Interessen und Machtverhältnisse in Frage gestellt: "Wenn wir uns zusammen mit den Armen für eine Veränderung dieser Verhältnisse engagieren, so nehmen wir unvermeidlich Konflikte in Kauf, latente Konflikte werden sichtbar oder brechen auf. Die Armutsgrundsätze verpflichten uns, Spielräume, Mechanismen und Fähigkeiten für friedliche Lösungen von Konflikten zu unterstützen" (DEZA 2004).
Das UN-Entwicklungsprogramm hat mit dem Index "Gender Empowerment Masure"/GEM einen geschlechtsbezogenen Empowerment-Index eingeführt. GEM misst die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei ökonomischen und politischen Wahlmöglichkeiten (vgl. Holtz 2006).

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Enkulturation

Der auf den Ethnologen Herskovits zurückgehende Begriff bezeichnet das informelle Lernen, Beobachten und Nachahmen kultureller Verhaltensweisen beim Hineinwachsen in eine soziokulturelle Umgebung. In Erweiterung zum Sozialisationsbegriff betont Enkulturation die kulturspezifische Dimension von Wissenserwerb, wie auch kulturspezifische Methoden der Umsetzung von Wissen. Das Individuum lernt dabei die Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung (Identität, Orientierungswissen) ebenso kennen wie das Respektieren der kulturellen Rahmenbedingungen. Enkulturation ist stets auf die Primärsozialisation bezogen, während Akkomodation und Akkulturation hierauf aufbauen und von daher der Sekundärsozialisation zugerechnet werden (vgl. IKO 2004Internetquelle).

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Entwicklung

Biologisch verwendet meint Entwicklung den Lebenszyklus von Pflanzen und Tieren. Erst seit dem 17. Jh. wird der Begriff, der mit dem lateinischen explicare und dem französischen évoluer in Verbindung steht, i. S. von ›Gedanken entwickeln, sich herausbilden‹ verwendet. Seit dem ausgehenden 19. Jh. findet er Verwendung als Metapher für Vorgänge in Wirtschaft, Gesellschaft und Psychologie. Im modernen Sinne meint er seit dem 20. Jh. einen linearen Prozess ›menschlichen Fortschritts‹. Beim transitiven Entwicklungsbegriff geht es darum, etwas anderes zum Gegenstand eigener Entwicklungsbemühungen zu machen.
Wie der Kulturbegriff, ist der Entwicklungsbegriff historisch und politisch so stark und gleichzeitig gegensätzlich besetzt, dass eine einheitliche Definition kaum möglich scheint. Holtz (2006) definiert Entwicklung als einen mehrdimensionalen, komplexen Prozess, "der auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse und die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens in Freiheit von Not und Furcht für alle, auf Frieden sowie die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften und der Einen Welt abzielt". Mit ähnlichem Tenor meint die Südkommission - ein Zusammenschluss von Nicht-OECD-Ländern 1990: "Entwicklung ist ein Prozess, der es den Menschen ermöglicht, ihre Fähigkeiten zu entfalten, Selbstvertrauen zu gewinnen und ein erfülltes und menschenwürdiges Leben zu führen".
Mit ganz anderem Tenor findet nach Toynbee Entwicklung dort statt, wo auf eine Herausforderung eine Antwort erfolgt ("challenge and response"). Nach dieser Diktion bräuchte Entwicklung also einen externen Stimulus. ›Autodéveloppement‹ gäbe es danach nicht (vgl. Thiel 2003). Eine beißende Kritik an dem mit Präsident Trumans Amtsantrittsrede von 1949 "als westliche Dominanzmetapher umgeformten Entwicklungsbegriff" und ein Plädoyer für dessen analytische Dekonstruktion liefert z. B. Gustavo Esteva (1993).
Bierschenk behandelt den Begriff ›Entwicklung‹ in drei Dimensionen: als analytische Kategorie, als Forschungsgegenstand und als politische Praxis. Letztere ist gekoppelt "an eine Ideologie bzw. einen moralischen Diskurs über die Wünschbarkeit von gesellschaftlichen Zuständen" (Bierschenk 2003b).
Entwicklung kann nach Bierschenk untersucht werden:
  • als langfristiger historischer Prozess (struktureller, i. e. organisatorischer, sozioökonomischer, kultureller ›Umbau‹ der Gesellschaft, Frage nach dem sozialen Wandel und seinen Quellen)
  • als politisches und wirtschaftliches Projekt ("Zeitalter der Entwicklung" seit ca. 1945. Kontext: Entkolonialisierung, Kalter Krieg; Kernvorstellungen: Staat als Modernisierungsagent/ geplanter bzw. induzierter sozialer Wandel):
  • als soziale Situation (direkte und indirekte Interaktionen zwischen sozialen Akteuren und Gruppen in einem Kontext geplanter Entwicklung) oder als Entwicklungshilfeprojekt (vgl. Bierschenk 2003b).
Entwicklung findet auch konträr zu den Intentionen der Entwicklungshilfegeber statt. Manches, was als Entwicklungsbremse dargestellt wird, ist eher als Ausdruck von nicht wahrgenommenen endogenen Entwicklungsvorstellungen zu sehen. Deshalb definiert die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsethnologie Entwicklung z. B. "als die Verbesserung der Situation von Menschen gemäß ihrer eigenen Kriterien und Ziele vor dem Hintergrund einer gemeinsamen globalen Verantwortung" (AGEE;Internetquelle). Die Finnische EZ-Agentur verweist auch auf die negative Reichweite von Entwicklung: Jeder Akt von Entwicklung ist danach auch ein Akt der Zerstörung. Jeder Wechsel greift in die Physiologie, Psychologie und in das Verhalten der Bevölkerung ein (vgl. Finnida 2004).
Die UNESCO verbindet 2001 den Entwicklungsbegriff mit dem der kulturellen Vielfalt: "Kulturelle Vielfalt erweitert die Freiheitsspielräume jedes Einzelnen; sie ist eine der Wurzeln von Entwicklung, wobei diese nicht allein im Sinne des wirtschaftlichen Wachstums gefasst werden darf, sondern als Weg zu einer erfüllteren intellektuellen, emotionalen, moralischen und geistigen Existenz" (UNESCO 2001, Art. 3 der Dekl. zur kulturellen Vielfalt: Internetquelle). Der neueste UNDP Human Development Report 2004 verbindet ebenfalls Entwicklung mit kulturellen Kriterien.

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Entwicklung, autozentrierte

Nach Schubert und Klein bezeichnet autozentrierte Entwicklung die "Entwicklungsstrategie, die den Ländern der Dritten Welt empfiehlt, sich strikt an den Produktionsmöglichkeiten und Nachfragepotentialen des Binnenmarktes zu orientieren, sich insofern dem Druck des Weltmarktes zu entziehen und somit wirtschaftliches Wachstum durch Aufbau und Entfaltung der eigenen Ressourcen und Möglichkeiten zu ermöglichen" (Schubert/Klein 2001). Das Konzept ist eng mit dem Zentrum/Peripheriemodell der Dependenztheorie verknüpft (vgl. Amin 1974). Es wurde wie die Dependenztheorie wegen seiner ausschließlichen Betonung der externen entwicklungshemmenden Faktoren kritisiert und in der Folge modifiziert und relativiert (vgl. Senghaas 1982 und Menzel 1988).
Hein (2001 in E+Z) plädiert dafür, den Begriff von der ausschließlichen ökonomischen Konnotation zu befreien, so dass er "im Allgemeinen einen strukturell bedingt selbstreferentiellen Entwicklungsprozess einer Gesellschaft bezeichnet" und somit Antworten auf die Frage nach den spezifischen lokalen Entwicklungspotentialen und -problemen im Rahmen einer ›Good Governance‹-Strategie gibt. Der Ansatz der autozentrierten Entwicklung wurde vor allem von Autoren/innen aus der Dritten Welt vertreten. Endogene entwicklungshemmende FaktorenEntwicklung

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Entwicklung, soziale

Die Weltbank-Arbeitsdefinition für Social Development bezieht sich auf die Relationen und institutionellen Bedingungen in einer Gesellschaft und auf die historischen, politischen und institutionellen Bedingungen, die Projekt- und Politikergebnisse beeinflussen. Ziel des Social Development ist es, das Empowerment armer Menschen zu stärken, indem man ihre Fähigkeiten und sie mit einschließende Institutionen (inclusive institutions) fördert.
Es geht um Partizipation und Bürgerengagement, um social analysis, Konfliktprävention und Wiederaufbau, von Gemeinschaften selbst angetriebene Entwicklung und soziale Sicherheit. Sozial verantwortliche Entwicklung muss verschiedene Ebenen (regional, national, lokal) und deren Einflüsse auf die Vorhaben beachten. So muss z. B. analysiert werden, wie arme Menschen einen fairen Zugang zum Markt erhalten. Seit Frühjahr 2004 gibt es dazu ein Strategiepapier (World Bank 2004).

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Entwicklungsethnologie

Dieser Bereich der Ethnologie beschäftigt sich mit modernen, weltweiten sozialen und kulturellen Wandlungsprozessen; in Deutschland wird er vor allem durch die Arbeit der AGEE (z. B. Bliss, Antweiler, Schönhuth) vorangetrieben, die seit 1986 einen kontinuierlichen Dialog mit der Entwicklungspraxis etabliert hat. Zur Frage der praktischen Involvierung von EntwicklungsethnologInnen in die Arbeit von EZ-Organisationen (vgl. Dettmar 1999) hat die Arbeitsgemeinschaft Entwicklungsethnologie ethische Richtlinien formuliert.
Im Gegensatz dazu liegt der Fokus einer "Ethnologie der Entwicklung" auf der Untersuchung der Strukturen, in denen Entwicklung stattfindet, und der Institutionen und Akteure, die dabei eine Rolle spielen. In Deutschland vor allem erforscht durch Schüler des Bielefelder Entwicklungssoziologen Hans-Dieter Evers (Bielefelder Verflechtungsansatz und strategischer Gruppenansatz; dazu Bierschenk 2002) und die "Berliner Schule" um Elwert und Weiß (vgl. Hüsken 2004).

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Entwicklungsethnologie und Kultur

Einen wichtigen Beitrag zur Renaissance der soziokulturellen Dimension hat die deutsche Entwicklungsethnologie geleistet. Ihr Engagement hat dazu beigetragen, dass die Einbeziehung soziokultureller Faktoren und Partizipation bei der Planung, Implementierung und Evaluierung von EZ-Projekten heute zum entwicklungspolitischen Standard gehört. Exemplarisch für dieses Engagement ist die Erweiterung der Simsonschen soziokulturellen Schlüsselfaktoren durch Bliss, Gaesing und Neumann (1997), aber auch die Beiträge von Schönhuth und Kievelitz (1993) zur Differenzierung der Appraisal-Verfahren in der GTZ und die Überlegungen zur interkulturellen Problematik der "Zielorientierten Projektplanung" (ZOPP) von Kievelitz und Tilmes (1992). 
Im Gegensatz zu anderen Expertengruppen der EZ bezieht die Entwicklungsethnologie eine explizit politisch verstandene Position. Hierzu gehört sowohl die Selbstverortung als Anwaltschaft für die Zielgruppen der EZ, als auch die Formulierung einer moralisch-ethischen Agenda für die gesamte entwicklungspolitische Praxis. Bliss und Schönhuth haben dazu acht "Ethische Leitlinien für die entwicklungspolitische Praxis" (re)formuliert. Sie verstehen ihren Regelkanon als Orientierungshilfe und Handlungsanweisung für Gutachter und Projektexperten zur Lösung von Loyalitätskonflikten, die sich aus dem Spannungsfeld der Interessen von Auftraggebern, Zielgruppen und der internationalen Öffentlichkeit ergeben (Bliss/Schönhuth 2002: 4). Die Zeitschrift Entwicklungsethnologie der AGEEdokumentiert seit 15 Jahren die Arbeit von EntwicklungsethnologInnen. (www.entwicklungsethnologie.de).

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Entwicklungsethnologie und partizipative EZ

Die partizipative EZ in Deutschland wurde unter anderem durch Arbeiten von Entwicklungsethnologen wesentlich beeinflusst. So wurde das Handbuch zu partizipativen Methoden in der EZ von zwei Ethnologen verfasst (Schönhuth/Kievelitz 1993). Am Zielgruppenansatz der TZ und dessen Einbindung in die Strategien der FZ waren Ethnologen ebenfalls maßgeblich beteiligt (Bliss/König 2003). Auch die kulturellen Grenzen partizipativer Ansätze wurden von ihnen bearbeitet (Hess et al. 1998).

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Entwicklungsfaktoren, endogene

Axelle Kabou beschäftigt sich in ihrer Streitschrift gegen ›schwarze Eliten und weiße Helfer‹ (1993) mit den endogenen Faktoren der afrikanischen Entwicklungsproblematik. Mit Blick auf die erfolgreichen Asiaten mahnt die Autorin an, dass Afrika sich für seine Geschichte selbst verantwortlich fühlen und sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen solle. Sie grenzt sich damit von der Mehrheit afrikanischer Politiker und Intellektueller ab, die im Weltwirtschaftssystem und im (Post-)Kolonialismus die Schuld an den Problemen sehen (Dependenztheorie). Wegen ihres letztlich wieder modernisierungstheoretischen Lösungsansatzes und der These der ›kulturfreien‹ Übertragbarkeit asiatischer Modelle (so z. B. eine Kritik von Menzel 1994: 51) wurde Kabous Ansatz nicht nur von afrikanischen Linksintellektuellen heftig kritisiert. Autozentrierte Entwicklung

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Entwicklungspartnerschaft

In der Definition des BMZ: "Eine Entwicklungspartnerschaft ist eine langfristig ausgerichtete Zusammenarbeit mit gleichberechtigten Partnern (BMZ 2001b: 68), in der, wie das Wort ›gleichberechtigt‹ schon suggeriert, der Partizipation eine wichtige Rolle zukommt."
Wie auch beim Dialog auf Augenhöhe lässt sich der Begriff der Entwicklungspartnerschaft auch dazu benutzen, das vorhandene Machtgefälle in der Entwicklungszusammenarbeit euphemistisch zu verschleiern. Er steht in auffälligem Widerspruch zur Konditionalisierung, d. h. der Bindung von Entwicklungshilfe an vom Westen definierte entwicklungsfreundliche Bedingungen.
MachtInterkultureller DialogPartizipation in der EZ

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Entwicklungstheorien

In den klassischen Entwicklungsansätzen spielt die kulturelle Dimension von Entwicklung keine Rolle. Dependenztheoretiker hindert der ›sozialistische Fernblick‹ (Faschingeder et. al. 2003), in Kultur und Tradition mehr zu sehen als nur ein Entwicklungshemmnis hin zur klassenlosen Gesellschaft. (vgl. auch Clash of Cultures; kulturalistische Modernisierungstheorie: gleiches Argument!) Die Grundbedürfnisstrategie der 1970er Jahre plante vor allem für Betroffene, blieb letztlich den westlichen Handlungsrationalitäten verhaftet und damit ebenfalls kulturblind. Selbst die Vertreter einer autozentrierten Entwicklung des Südens thematisieren Kultur in erster Linie als Herrschaftsinstrument oder Kampfarena, in der Schlachten um die Konstruktion von Identitäten ausgetragen werden.
Auch nach Auflösung der Lagergrenzen blieben etliche Autoren dem eurozentrischen Weltbild verhaftet (Senghaas 1982: "Von Europa lernen"). Heute ist breiter Konsens in der angewandten internationalen Forschung und entwicklungspolitischen Diskussion, dass Kultur im Entwicklungsprozess eine Rolle spielt, und dass entwicklungspolitische Maßnahmen dann am besten funktionieren, wenn sie auf der Basis des Alltagswissens (lokales Wissen) von Zielgruppen aufbauen.
Die von Huntington und anderen vertretene Modernisierungsthese, nach der bestimmte essentiell vorgestellte Kulturen die menschliche Entwicklung hemmen, und andere die menschliche Entwicklung fördern (›Kultur als Entwicklungshemmnis‹), wird vom Mainstream der internationalen Forschung als ebenso einseitig kritisiert, wie Arturo Escobars poststrukturalistische Entwicklungskritik, die "Kultur als ein System ideologischer Kontrolle"; versteht, mit dessen Hilfe die seit der Kolonialzeit bestehenden Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern aufrechterhalten und zementiert werden.
Für die Vertreter einer Richtung, die die homogenisierende Wirkung der Globalisierung uneingeschränkt befürworten, dient das Kulturargument häufig der Maskierung ökonomischer Ineffizienz (Kultur als Restkategorie). 
Nach der Glokalisierungsperspektive (Robertson; Glokalisierung), die von der Mehrzahl der Autoren heute favorisiert wird, erfolgt Globalisierung nicht durch die Hand eines anonymen Marktes oder einer primordialen Prägung, sondern im Zusammenspiel unterschiedlich machthaltiger Strategien (Wimmer 1997). Globalisierung findet dann erfolgreich statt, wenn dies aus der Interessensperspektive lokaler Akteure Sinn macht, und wenn die globalen Muster in bereits etablierte politisch-kulturelle Muster einzufügen und umzudeuten sind.
Diese Perspektive geht von aktiv und strategisch handelnden Akteuren im Entwicklungsprozess aus, deren Partizipations- und Handlungschancen durch politische, sozioökonomische und soziokulturelle Rahmenbedingungen zwar mitbestimmt, aber nicht präformiert sind. Sie rechnet mit Kultur, liefert aber die Akteure ihren ›kulturellen Prägungen‹ nicht aus (Kultur als Fluxus).

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Entwicklungszusammenarbeit

Während Kultur früher eher als Hindernis für die Entwicklung verstanden wurde, hat sich dieses Verständnis grundlegend gewandelt im Sinne von Kultur als Mittel für Entwicklung bis hin zu Kultur als Chance und Selbstzweck.
Deutlich wird diese positive Verbindung von Kultur und Entwicklung z. B. im Partizipationskonzept des BMZ von 1999. Auch das jüngste Evaluierungsraster für Gutachter (BMZ 2002) spricht diesen Zusammenhang an und bezieht sich dabei unter anderem auf eine Ex-Post-Evaluierung von 32 abgeschlossenen Projekten der deutschen Staatlichen Zusammenarbeit (BMZ 2000), die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Zielerreichung und Kulturangepasstheit aufzeigte. Neben der kontinuierlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des Projektträgers sind es ein partizipativ hergestellter Zielkonsens (Dialog auf Augenhöhe) und die Kulturangepasstheit, die maßgeblich nachhaltigen Erfolg oder Misserfolg von Projekten und Programmen bestimmen. Deshalb müsse den soziokulturellen Rahmenbedingungen der gleiche Stellenwert zukommen, wie ökonomischen und naturwissenschaftlichen.
Während diese empirischen Ergebnisse eindeutig für die Beachtung der Kultur als Rahmenbedingung für jegliche EZ sprechen, zeigt eine andere Erkenntnis aus der Evaluierung die Grenzen einer kulturellen Strategie auf: Die Akzeptanz der Durchführungsträger der FZ lag zu allen Untersuchungszeitpunkten deutlich höher als die der TZ-Projekte. Investitionsmaßnahmen liegen demnach offensichtlich weit eher im (wirtschaftlichen) Interesse der Partner als Vorhaben, die auf Veränderungen von Menschen und Organisationen ausgerichtet sind (BMZ 2000: 8).
Hält die Partnerseite vorwiegend einen Transfer von Technologie und Geldmitteln für notwendig, um Entwicklung anzukurbeln, so ist die deutsche Seite manchmal vorrangig an Strukturveränderungen und der Ausbildung von Managementfähigkeiten ("Können") bei den Partnern (Mittler und Zielgruppen) interessiert, wenn es um nachhaltige Entwicklung geht. Die Ausbildung von Strukturen und Befähigungen (capacities, capabilities, skills) hat neben politischen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Voraussetzungen immer auch eine soziokulturelle Dimension, die diese Strukturen und Befähigungen gesellschaftlich legitimiert und begründet, und ihnen Sinn und Konstanz verleihen. Damit wird jegliche Entwicklungsintervention auch zu einer kulturellen Intervention.
Zur Positionierung der GTZ bzgl. Kultur und Entwicklung, in der dem metaphorischen Begriff der kulturellen Bühne als funktionaler Handlungsrahmen von EZ eine wichtige Rolle zukommt.

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Erlebniskultur

Erlebniskultur ist ein zentrales Merkmal der Konsumkultur, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Industriegesellschaften entwickelt hat. Sie stellt die Möglichkeit dar, Waren zu nutzen, um Erlebnisse und Erfahrungen zu machen. Der Wunsch, viele und intensive Erlebnisse zu haben, führt zu einer Steigerung der gesellschaftlichen Individualisierung (›Erlebnisgesellschaft‹); vgl. Hügel 2003; Hg.: 32 f. Insofern ist Erlebniskultur eng mit dem Begriff der Populärkultur verknüpft, in der Unterhaltung ein zentrales Element darstellt.

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Essentialisierung

Essentialisierung ist die Festschreibung des anderen auf seine Andersartigkeit bzw. des Eigenen auf seine ursprüngliche Wesenheit (Essenz), wobei innere Differenzen nivelliert werden. "Essentialismus beschreibt die Annahme, dass Gegenstände - unabhängig von Kontext und Interpretation - eine ihnen zu Grunde liegende, alle Veränderungen überdauernde Essenz aufweisen, die ihre ›wahre Natur‹ bestimmt und sie notwendig zu dem macht, was sie sind." (Babka/Posselt 2003Internetquelle).
Die Folgen der Essentialisierung von Kultur zeigen sich zum Beispiel in:
  • einer globalen Tourismusindustrie, die das authentische und exotische "Andere" für ökonomische Zwecke einsetzt. ("Kommerzialisierung");
  • nationalistischen Dritt-Welt-Diskursen, die Geschichte singularisieren und "Tradition" als Gegenentwurf zur wahrgenommenen "Verwestlichung" oder "Neokolonialisierung" zu etablieren suchen ("Kulturalisierung")
  • meist von außen herangetragenen, romantizierenden Entwürfen "traditioneller", speziell "Stammes"-Gesellschaften, die eine "verschwindende Welt" gegen den Einfluss des Modernismus schützen will ("Naturalisierung, Exotisierung")
  • Selbst- und Fremdethnisierungstendenzen.
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