Friday, 8 April 2016

Dr Robert Ouko's murder as reported in The Spiegel Online(a German Newspaper) on 18th Nov. 1991

Leere Löcher

Neue Enthüllungen über die Ermordung eines Ministers könnten zum Sturz des korrupten Regimes von Präsident Moi führen.
John Troon, bis zu seiner Pensionierung ein bekannter Detective Superintendent bei Scotland Yard, erhob seine brisante Beschuldigung in Kisumu, einem verschlafenen Städtchen am Viktoria-See. In dessen Nähe war im Februar vergangenen Jahres die halbverbrannte Leiche eines ebenso prominenten wie populären Mannes gefunden worden: Robert Ouko, Kenias Außenminister. Der Mord an dem Politiker löste schwere Unruhen aus, bei der Aufklärung des Falles bat die Regierung die Londoner Kriminalpolizei um Hilfe.
Doch der 2000 Seiten starke Bericht, den die britischen Fahnder ein halbes Jahr nach dem Leichenfund vorlegten, durfte nicht veröffentlicht werden. Statt dessen setzte der Präsident eine eigene Untersuchungskommission ein - mit ihm genehmen Richtern.
Diesmal hatte sich der Alleinherrscher Daniel arap Moi verrechnet: Die kenianischen Kriminalisten arbeiteten mit ähnlicher Akribie wie die Briten, Spürhund Troon half ihnen dabei. Die Fährte, die er verfolgte, führt bis in die Spitze der kenianischen Regierung.
Noch bevor Troon seine Arbeit ganz beenden konnte, wurde er vergangene Woche von Kenias Polizeichef Philip Kilonzo gedrängt, das Land zu verlassen. Den Hauptverdächtigen in der Affäre durfte er nicht vernehmen: Industrieminister Nicholas Biwott, nach dem Präsidenten der derzeit Mächtigste im Land.
Ouko, davon ist Troon mittlerweile überzeugt, wurde ermordet, weil er die illegale Bereicherung der kenianischen Herrschaftsclique aufzudecken drohte. Und der Befehl für die Tat kam wahrscheinlich von ganz weit oben.
Die schwersten Vorwürfe richten sich gegen Biwott, der lange Zeit als Nachfolger des krebskranken Moi gehandelt wurde. Ein Vertrauter des ermordeten Außenministers gab zu Protokoll, Ouko habe sich von Biwott schon lange bedroht gefühlt: "Biwott ist ein gefährlicher Mann mit Mafia-Verbindungen. Wer mit ihm Streit hat, muß um sein Leben fürchten."
Trotz seines kargen Gehalts von offiziell 21 000 kenianischen Shillingen (1200 Mark) habe Biwott - so die Kommission - innerhalb weniger Jahre ein Millionenvermögen zusammengerafft. "Töten oder Stehlen ist kein Verbrechen für mich, aber arm zu sein ist eine große Schande", soll er laut Zeugen zu Robert Ouko gesagt haben.
Biwotts Millionen ruhen sicher auf Konten in Europa. Der Internationale Währungsfonds schätzt die Guthaben wohlhabender Kenianer im Ausland auf 2,6 Milliarden Dollar - das ist fast die Hälfte der kenianischen Staatsverschuldung.
Der Disput zwischen Biwott und Ouko entbrannte während einer USA-Reise im Februar 1990. Der Außenminister forderte, die bei ausländischen Banken gehorteten Millionen wieder zurück nach Kenia zu transferieren, um die Entwicklung des Landes zu fördern. "Das brachte Biwott in Rage", so Oukos Bruder Barak Mbajah in einer eidesstattlichen Erklärung.
Zurück in Nairobi, sei Ouko von Präsident Moi vorgeladen worden. "Der Präsident sagte ihm, er sei sehr unzufrieden damit, daß mein Bruder seine Macht untergrabe und in Amerika verbreitet habe, die Minister seien korrupt", schrieb Mbajah weiter.
Der beleidigte Präsident entband den Außenminister von seinem Amt und befahl ihm, sich auf seine Farm bei Kisumu zurückzuziehen. Dort holten ihn in der Nacht zum 13. Februar 1990 vier Männer zu einer Fahrt ab, von der Ouko nie wiederkam.
Die Häscher hätten Ouko festgenommen, um ihn Biwott zu übergeben, klagt Oukos Bruder an. Mbajah behauptet weiter, der damalige Staatssekretär für Sicherheit im Amt des Präsidenten, Hezekiah Oyugi, habe ihm einen Ministerposten angeboten, wenn er den Mord an seinem Bruder zu vertuschen helfe. Als er abgelehnt habe, sei er verhaftet und fünf Tage und Nächte lang festgehalten und geschlagen worden. Nach der Freilassung flüchtete er über Uganda in die USA.
Nach einem Bericht der ugandischen Zeitung Weekly Topic wurde das Mordunternehmen "Operation Nachfolge Bikini" getauft. Bikini soll als Kürzel für den vollen Namen des Drahtziehers stehen: Biwott Kiprono Nicholas.
Mit flammenden Reden gegen die "Geißel der Korruption" versucht Moi nun, sein verlorenes Ansehen wiederherzustellen. Doch der autoritär herrschende Präsident scheint bei den krummen Geschäften selber kräftig mitverdient zu haben.
"Biwott gab immer vor, 30 Prozent der Provisionen seien für ihn bestimmt, 70 Prozent für den Präsidenten", sagt ein ausländischer Geschäftsmann in Nairobi, "doch oft hat er den Alten auch übers Ohr gehauen."
"Ich habe Moi persönlich in einer prall gefüllten Aktentasche eine Million kenianische Shillinge in druckfrischen Hunderter-Noten gebracht", gestand der Ex-Direktor einer regierungsnahen Handelsfirma, "Moi strich versonnen die Banknoten glatt und versicherte mir, das Geld sei zur Unterstützung bedürftiger Studenten gedacht."
Zum Reich Mois gehören Banken und Versicherungen, viele Bürohochhäuser der Hauptstadt, ein Kasino, mehrere Transportunternehmen, die private Freiexportzone, dazu Firmen wie Marshalls, Firestone und die ehemalige Union-Carbide-Filiale.
Minister Biwott konzentrierte sich auf den Ölimport, Baufirmen, Einkaufszentren, Parfümerien und Fahrzeughandel. Eine bevorzugte Einkommensquelle sind Entwicklungsprojekte, die wie der von den Franzosen gebaute Turkwel-Staudamm gegen entsprechende Schmiergelder auch ohne internationale Ausschreibungen vergeben werden.
Eine Delegation der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt stellte im vergangenen Mai "finanzielle Unregelmäßigkeiten" in der Verwaltung der Staudämme von Kiambere und Masinga fest. Die Aufsicht führte der damalige Energieminister Biwott.
Auch die Dänen kamen zu der Erkenntnis, viele ihrer Vorhaben seien "leere, in die kenianische Erde gegrabene Löcher", und stellten die weitere Unterstützung ein. Die USA wollen ihre Hilfe von bisher 56 Millionen auf 26 Millionen Dollar kürzen.
Zum Tribunal für das bisherige afrikanische Musterland des Westens könnte die Konferenz der Geberländer Ende November in Paris geraten. Kampf gegen die Korruption und mehr Demokratie sollen dort zur Bedingung für weitere Finanzhilfe gemacht werden.
Jede neue Enthüllung über die Hintergründe im Mordfall Ouko stärkt die Opposition, die seit Monaten die Einführung eines Mehrparteiensystems verlangt. Für den vergangenen Samstag rief sie zu einer Massenkundgebung im östlichen Elendsviertel von Nairobi auf.
Präsident Moi scheint für den Ernstfall vorzusorgen: In der Nähe seiner Farm in Kabarak, 150 Kilometer nordwestlich von Nairobi, ließ er unlängst eine gewaltige Rollbahn bauen. Auf der Piste können sogar Jumbos landen. o

DER SPIEGEL 47/1991
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